Mit dem Beginn der ersten großen Industrialisierungswelle, die in Deutschland etwa in den Jahren 1820-1840 einsetzte, kam es auch in Berlin zu einem immer größeren Zustrom von Menschen, auf den diese Stadt aufgrund ihrer spezifischen Geschichte weder verkehrstechnisch noch städteplanerisch vorbereitet war.(…)
Berlin verdankte sein industrielles Wachstum zunächst dem Eisenbahnbau, der einerseits Berlin neue Märkte erschloß, andererseits selber die Nachfrage nach maschinellen Produkten enorm steigerte.
Am Beispiel der Firma Borsig läßt sich dies besonders deutlich aufzeigen. Hatte Borsig im Jahre 1837 als handwerklicher Manufakturbetrieb noch etwa 50 Beschäftigte, so war es im Jahre 1860 zu einem fabrikmäßigen Industrieunternehmen mit über 1700 Arbeitern und mehreren Niederlassungen geworden. Großaufträge verschiedener Eisenbahngesellschaften, zuerst über 116 000 Schrauben für den Gleisbau, ab 1841 über den Bau von Lokomotiven, hatten dieses Wachstum möglich gemacht.

Die rasche Bevölkerungszunahme im Verbund mit dem industriellen Wachstum ließen die ohnehin zu enge Stadt nun aus allen Nähten platzen. Da der räumlichen Ausdehnung der Industrie im Stadtgebiet Grenzen gesetzt waren, verlagerten sich die Betriebe in drei Etappen aus der Stadt in ausgesprochene Industriestandorte. War bislang zum größten Teil Arbeiten und Wohnen noch auf dem gleichen Grundstück lokalisiert, so kam es nunmehr zu einer Trennung von Arbeitsplatz und Wohnstätte. Es entstanden monofunktionale Stadtgebiete mit einer Entmischung von Wohnen und Arbeiten sowie die Herausbildung einer City mit spezifischen Nutzungen wie Verwaltung, Handel und Finanzen. Das Wohnen wurde aus der engen Innenstadt mehr und mehr verdrängt, vor allem durch enorme Steigerung der Grundstückspreise.(…)
Seit 1838 die erste Eisenbahnstrecke von Berlin nach Potsdam eröffnet worden war, folgten in den nächsten acht Jahren vier weitere Bahnen.
- die Anhalter Bahn 1841
- die Berlin-Stettiner Eisenbahn 1842/43
- die Berlin-Frankfurter Bahn 1842
- die Hamburger Bahn 1846
Zudem waren bis 1846 die Potsdamer Bahn bis Magdeburg und die Frankfurter Bahn mit der Niederschlesisch-Märkischen Bahn vereinigt und bis Breslau weitergeführt worden.

Alle diese Bahnen wurden von privaten Aktiengesellschaften betrieben und dienten als Fernbahnen, in den ersten Jahren vor allem dem Personenverkehr. Sie endeten vor den Toren der Stadt, ohne miteinander verbunden zu sein. Die Vorortbesiedlung war zu dieser Zeit nach wie vor gering, so daß ein ausreichender Verkehrsbedarf für einen Personenverkehr noch nicht vorhanden war.
Bereits 1851 baute der preußische Staat eine Schienenverbindung zwischen den vorhandenen fünf Kopfbahnhöfen. Das Eingreifen des Staates in die Berliner Verkehrsentwicklung galt jedoch vorerst nicht dem öffentlichen Personentransport. Militärische Gesichtspunkte, vor allem die Forderung nach schnellem, von einer Eisenbahnlinie zur anderen lückenlos übergehenden Truppentransport, waren zunächst für den Bau einer Verbindungsbahn ausschlaggebend.

Die Bahn sollte, weit außerhalb der Bebauung rings um die Stadt verlaufend, eine Verbindung aller in Berlin in Kopfbahnhöfen endenden Eisenbahnlinien herstellen. Darüber hinaus sollte sie den neuen Fabrikstandorten Gleisanschluß für den Güterverkehr bieten und später, nach weiterer baulicher Ausdehnung der Stadt, auch in den Dienst des Personenverkehrs gestellt werden.
Ihre Strecke verlief vom Stettiner Bahnhof ausgehend über die Invalidenstraße am Brandenburger Tor vorbei, über den Potsdamer Platz zum Halleschen Tor und durch die spätere Gitschiner und Skalitzer Straße, zweigte auf der Höhe des später entstandenen Görlitzer Bahnhofes ab, entlang der Eisenbahnstraße und über die Spree zur Frankfurter Bahn.(…)
Mit dem stetig wachsenden Verkehr auf Schienen und Straßen wuchsen auch die Behinderungen durch die Verbindungsbahn. Alte Häuser drohten wegen der ständigen Erschütterungen einzustürzen und der Straßenverkehr wurde so sehr gestört, daß diese erste Verbindungsbahn schließlich Ende der 60er Jahre wieder stillgelegt werden mußte.
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Zusätzlich waren beim Bau der Ringbahn zunächst militärische Gründe ausschlaggebend gewesen. Der Anschluß dieser Bahn an die Potsdamer Bahn erfolgte z. B. nicht in Richtung Stadt, sondern nach Süden hin, damit die von Potsdam kommenden Militärzüge ohne Rangieren zum Tempelhofer Exerzierplatz fahren konnten. Der südliche Streckenabschnitt, der ursprünglich entlang der Hasenheide geführt werden sollte, also relativ dicht an der Stadtgrenze geplant war, wurde auf Einspruch des Militärs nach Süden, südlich des Exerzierplatzes verlegt. Ein Personenverkehr war zunächst nicht vorgesehen und wurde erst nachträglich zugelassen.

https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6niglich_Preu%C3%9Fische_Milit%C3%A4r-Eisenbahn#/media/Datei:BahnhoefeSchoeneberg.jpg
Die Fahrgastzahlen blieben in den nächsten Jahren sehr gering, auch siedlungspolitisch blieb die Ringbahn zunächst von geringer Bedeutung. Lediglich der Wanderungsbewegung der Industrie zum Stadtrand und der Bildung neuer Industriestandorte war sie förderlich. Dabei spielte der Güterverkehr eine größere Rolle als der Personenverkehr. Die Anfänge eines Berufsverkehrs entwickelten sich zunächst von den im weiteren Umland gelegenen Villenkolonien auf den Fernbahnstrecken. Die Bahngesellschaften standen der Errichtung sogenannter Lokalzüge jedoch anfangs skeptisch gegenüber. (…)
Und selbst der preußische Staat hatte Mühe, eine Eisenbahngesellschaft dazu zu bewegen, Lokalstationen einzurichten. Als die Artilleriewerkstätten von Berlin nach Spandau verlegt wurden, bedurfte es administrativen Drucks sowie einer Fahrpreissubvention, damit Arbeiter ab 1868 mit zwei örtlichen Personenzügen vom Hamburger Bahnhof nach Spandau und zurück fahren konnten.